Definition
Bei der Impotenz werden zwei Formen unterschieden. Die Impotentia coeundi (Erektile Dysfunktion) bezeichnet die Unfähigkeit zur Ausübung des Geschlechtaktes. Sie ist jene Form, die im allgemeinen Sprachgebrauch unter Impotenz verstanden wird. Die zweite Form, die Impotentia generandi (Sterilität, Infertilität), steht für die Unfähigkeit zur Fortpflanzung.
Die Erektile Dysfunktion (ED) ist eine Form der Impotentia coeundi, bei der keine ausreichende Steifheit (Rigidität) des Penis zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs erreicht oder erhalten werden kann. Dabei liegt die Betonung auf der Durchführung des Geschlechtsverkehrs. Masters und Johnson haben 1970 einen Mann als impotent klassifiziert, wenn er bei mindestens 75% seiner koitalen Versuche wegen mangelnder Rigidität (Steifheit) zu einer Penetration (Eindringen) nicht in der Lage war. Aus dem Genannten geht hervor, dass eine ED nicht über den maximal zu erreichenden Grad der Tumeszenz (Umfangszunahme) und/oder Rigidität definiert wird. Per definitionem müssen die Erektionsstörungen seit mindestens sechs Monaten bestehen.
Diese Definition macht keine Aussage bezüglich der Libido (Lust auf Sex). Diese ist in der Mehrzahl der Fälle auch erhalten. Liegt ein Libidomangel vor, beispielsweise durch eine Hormonstörung, kann auch keine Erektion zustande kommen, jedoch sind die physiologischen Voraussetzungen dafür nicht gestört. Eine ED ist nicht zwingend mit einer Ejakulations- oder Orgasmusstörung verbunden.
Häufigkeit
In Deutschland sind zirka vier bis sechs Millionen Männer betroffen, wobei genaue Zahlen auf Grund der "Sensibilität" des Themas nicht vorliegen. Von den 40-jährigen Männern sind zirka zwei Prozent betroffen und von den 65-jährigen Männern schätzungsweise 25%, wobei eine eindeutige Altersabhängigkeit zu beobachten ist. Gleich hier gilt es jedoch anzumerken, dass die Zahlenangaben großen Schwankungen unterliegen. Anders als früher, als nach Meinung der Gelehrten zirka 90% der Erektionsstörungen psychisch bedingt waren, soll dies heute bei zirka einem Drittel der Betroffenen der Fall sein. Bei der Hälfte der betroffenen Patienten werden heute organische Störungen (s.u.) angenommen. Bei den verbleibenden 20% liegt eine Kombination beider Ursachen zugrunde. Diabetiker sind doppelt so häufig betroffen. Wichtig zu wissen ist, dass bei beiden Geschlechtern erst im Alter von über 75 Jahre das sexuelle Interesse und die sexuelle Aktivität deutlich nachlassen. Untersuchungen zufolge treten Libidostörungen bei 2% aller Männer auf.
Ursachen
Glaubte man früher noch, dass die ED zu 80% psychisch bedingt sei, so werden heute multifaktorielle respektive organische Erkrankungen als Hauptursache angenommen. Im Allgemeinen gilt, dass bei jüngeren Patienten die psychoreaktiven Faktoren überwiegen und bei den älteren Männern eher organische Störungen ursächlich in Frage kommen.
Allgemeine Ursachen
Spezielle Ursachen
Veränderungen der arteriellen Strombahn
Die zumeist arteriosklerotischen Gefäßveränderungen führen zu einer unzureichenden Füllung der Schwellkörper, wobei hier in der Regel die gesamte arterielle Strombahn im Sinne einer Arteriosklerose ("Arterienverkalkung") betroffen ist. Risikofaktoren für solche Gefäßveränderungen sind neben Fettstoffwechselstörungen der Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie), die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) sowie der bereits o.g. Nikotinabusus. Vergesellschaftete Krankheitsbilder sind:
Venöse und/oder kavernöse Insuffizienz, Veno-occlusive Dysfunction, venöses Leck
Ein vorzeitiger oder vermehrter Blutabfluss führt zur unzureichenden Steifheit bzw. zum Nichtzustandekommen einer Erektion. Als Ursache kommen Umbauvorgänge des Penisgewebes (fibrotischer Umbau der Schwellkörpermuskulatur, Defekt der Schwellkörperhülle [Tunica albuginea]) ; oder auch Transmitterstörungen im Schwellkörpergewebe in Frage. Diese Umbauvorgänge können nicht zuletzt durch jahrelange Durchblutungsstörungen hervorgerufen worden sein. Durch Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Hypoxie-bedingten Umbauvorgänge zunächst in den am weitesten peripher gelegenen kleinen Arterien erfolgt und zunächst zu einem teilweisen Umbau der glatten Muskulatur in fibrotisches Bindegewebe führt. In der Folge kommt es zuerst zu einer Ausbildung einer kavernösen veno-okklusiven Dysfunktion, ohne dass in Ultraschalluntersuchungen die krankhaften Veränderungen der Penisarterien nachweisbar werden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden dann auch die Penisarterien von diesem Umbau betroffen.
Neurogene Ursachen
Darunter sind alle Erkrankungen des zentralen (Gehirn und Rückenmark) und peripheren Nervensystems (Nerven) zu verstehen. Nachfolgend sind exemplarisch einige Erkrankungen aufgeführt, durch die eine Erektile Dysfunktion bedingt sein kann:
Stoffwechselstörungen
Zustand nach chirurgischen Operationen, z.B.
Zustand nach Verletzungen
Hormonstörungen
Hormonstörungen sind mit 5% selten. Außerdem steht hier die mangelnde Lust (Libido) im Vordergrund der Beschwerden.
Medikamente
Eine Vielzahl von Medikamenten können den komplizierten Mechanismus der Erektion stören. Eine Auswahl ursächlich in Frage kommender Medikamentengruppen sind:
Nitrate
Sonstige
Psychische Ursachen
An dieser Stelle sei angemerkt, dass auf Grund der Sensibilität des Themas immer noch viele Männer ihre Probleme verschweigen. Schätzungen gehen davon aus, dass deshalb in mehr als 70% der Fälle die Diagnose Erektile Dysfunktion (ED) gar nicht erst gestellt wird!
Die Diagnostik der Erektilen Dysfunktion lässt sich in drei Abschnitte gliedern:
Nachfolgend werden die einzelnen Untersuchungen der jeweiligen diagnostischen Abschnitte erläutert.
Nicht invasive Diagnostik
Anamnese (Krankengeschichte)
Die Befragung des Patienten sollte die gesamte sexuelle (Dys)funktion umfassen. Diese lässt sich in drei Teilbereiche gliedern, welche gemeinsam oder für sich gestört sein können: sexuelles Verlangen (Libido), Erektion und Ejakulation. Hilfreich zur Objektivierung und Verlaufskontrolle der Beschwerden ist der Internationale Index of Erectile Function (IIEF). Eine auf fünf Fragen reduzierte Version dieses Fragebogens ist der sog. IIEF5, dessen Sensitivität und Spezifität immer noch bei 98% bzw. 88% liegen. Der IIEF5 liegt als Selbsttest vor. Besonderes Augenmerk gilt Begleiterkrankungen des Patienten (z.B. Diabetes mellitus, Bluthochdruck), Risikofaktoren (Alkohol, Nikotin) und der Medikamenteneinnahme; aber auch die Frage nach Partnerschaftsproblemen sollte nicht vergessen werden.
Die Befragung sollte folgende Punkte klären:
E0 Keine Erektion
E1 Geringe Tumeszenz, keine Rigidität
E2 Mittlere Tumeszenz, keine Rigidität
E3 Volle Tumeszenz, keine Rigidität
E4 Volle Tumeszenz, mittlere Rigidität
E5 Volle Tumeszenz, volle Rigidität
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung schließt sich in der Regel an die Erhebung der Krankengeschichte an. Dabei haben die Untersuchung und Beurteilung des äußeren Genitales (Lesen Sie dazu auch: Anatomie und Physiologie der männlichen Geschlechtsorgane) sowie der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale besonderen Vorrang. Folgende Organe bzw. Körperteile werden insbesondere untersucht:
Labor
Die Blut- und Urinuntersuchung hilft, Erkrankungen, welche eine Erektilen Dysfunktion bedingen können, zu erkennen. Dazu zählen beispielsweise der Hypogonadismus, Diabetes mellitus oder die Niereninsuffizienz. [Hier] finden Sie Normwerte (Männer) für Blutbild, Elektrolyte, Leberwerte, Nierenwerte, Tumormarker und Hormone.
Semi-invasive Diagnostik
Ultraschalluntersuchung (Sonographie/Duplexsonographie), ggf. in Verbindung mit der SKAT-Untersuchung
Die einfache Ultraschalluntersuchung erlaubt eine Beurteilung der Penisbeschaffenheit. So können Formveränderungen und/oder Verkalkungen und/oder Plaques diagnostiziert werden. Die farbkodierte Duplexsonographie erlaubt eine Aussage über die arterielle Durchblutung im Seitenvergleich und im Vergleich mit einer extrapenilen (d.h. nicht im Penis gelegenen) Arterie. Weitere Informationen zur Duplexsonographie finden Sie [hier].
Neurologische und neurophysiologische Untersuchungen
Schwellkörperinjektionstest (SKIT)
Invasive Diagnostik
Kavernosographie, dynamische Infusionskavernosographie und -metrie
Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem nach Gabe eines Kontrastmittels Röntgenbilder vom Penis und dem kleinen Becken gemacht werden, um bauliche Veränderungen und/oder pathologisch drainierende Gefäße zu diagnostizieren. Weitere Informationen finden Sie [hier]
Beispiel für eine venöse Leckage
Pharmakophalloarteriographie (selten)
Kausale Behandlung
Darunter versteht man das Erkennen und Beseitigen der Ursache der Erkrankung. So kann bei einem Testosteronmangel (z.B. beim Hypogonadismus) das Testosteron substituiert werden.
Medikamentöse Behandlung
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Medikamenten, die jedoch in der Regel rezeptpflichtig sind und deren Gebrauch wohl durchdacht sein sollte. Hier ist unbedingt das Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens erforderlich. Von einer unkontrollierten Einnahme von Medikamenten, beispielsweise durch Bestellung über das Internet, kann nur eindringlich abgeraten werden. Es gibt eine Reihe verschiedener Klassifikationssysteme, wobei nachfolgend nach den verschiedenen Wirkungsweisen sortiert wurde. Es sei hier noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bezüglich der Wirkstoffe Informationen aus der Literatur wiedergegeben werden und diese keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
1. Wirkstoffe, die eine Entspannung der glatten Muskulatur des Penis bewirken
2. Injektions- und Instillationsstoffe
3. Zentral wirksame Substanzen
Yohimbin
Yohimbin ist ein relativ selektiver Antagonist der Alpha-2-Rezeptoren und wirkt im Zentralnervensystem. Es wurde bereits in vielen Studien hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht. Es wird derzeit hauptsächlich zur Behandlung der psychogenen erektilen Dysfunktion verwendet und zeigte eine im Vergleich zu Placebo moderate Besserung der Erektion.
Wirkungsweise
Beim Yohimbin handelt es sich um ein iridoides Indolalkaloid, welches als zentral wirksames Alpha-Adrenozeptor-2-Antagonist wirkt. In dieser Eigenschaft wirkt Yohimbin auf den Kreislauf (Blutdrucksenkung, Reflextachykardie) und die Harnblase (Erschlaffung von: Blasenhals, hintere Harnröhre und Prostata --> Senkung des Blasenauslasswiderstandes). Yohimbin wirkt aber auch auf das Sexualverhalten und wurde schon früh in Westafrika als Aphrodisiakum eingesetzt. Vorteilhaft beim Yohimbin ist das günstige Nebenwirkungsprofil. Hauptindikation sind versagensangstbedingte oder mäßig ausgeprägte organische Erektionsstörungen.
Anwendung
Yohimbin wirkt am besten bei psychogener Impotenz.
Bestandteile
Der Wirkstoff wird aus der Rinde des in Westafrika heimischen Yohimbinbaumes gewonnen.
Dosierung
An den ersten drei Tagen sollten 3x5mg und dann 3x10mg eingenommen werden, wobei mit einem Erfolg nicht vor 14 Tagen zu rechnen ist. Die Gesamtbehandlungsdauer erstreckt sich über mindestens sechs Wochen.
Nebenwirkungen
Unruhe, Schwindel, Händezittern, verstopfte Nase, Schlafstörungen
4. Hormone
5. Aphrodisiaka
Als Aphrodisiaka werden den Geschlechtstrieb und die Potenz stärkende Mittel bezeichnet. Dabei handelt es sich in der Regel um pflanzliche Wirkstoffe, welche bereits seit mehreren tausend Jahren in Gebrauch sind. Aber auch Drogen (Haschisch), Alkohol und die Tollkirsche gehören durch ihre stimulierende und enthemmende Wirkung in diese Gruppe. Daneben zählen dazu Stoffe, welche anregend auf das Urogenitalsystem wirken (Petersilie, Selleriekraut) oder die Blutzufuhr der Bauch- und Geschlechtsorgane verstärken (Basilikum, Ingwer, Chili). Auch das als Potenzholz bezeichnete Muira puama oder Maca gehören in diese Gruppe. Weiterlesen...
Operative Behandlung
Eine operative Therapie der Erektilen Dysfunktion wird durchgeführt, wenn alle möglichen konservativen Therapieansätze zu keinem Erfolg geführt haben. Der Anteil liegt in etwa zwischen 5 und 10%. Dieser Schritt muss reiflich durchdacht sein, da die operativen Verfahren, insbesondere die Implantation einer Penisprothese, zu einer Zerstörung der natürlichen Architektur des Penis führen. Die sexuelle Appetenz, die Ejakulationsfähigkeit und das Orgasmuserleben werden nicht beeinflusst.
Psychotherapie/Partnertherapie
Sind organische Ursachen ausgeschlossen und eine psychogene Genese am wahrscheinlichsten, so sollte in jedem Falle eine psychotherapeutische Behandlung unternommen werden. Eine Einbindung der Partnerin in die Therapie sollte angestrebt werden.